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Entwurf eines neuen Bildungs- und Schulsystems

Unser Bildungssystem gleicht einer preußischen Militärschule und manchen Leser möge es überraschen, dass genau das die ersten Schulen in Europa und im damaligen Preußen waren. Alles ist getaktet: in zehn Kompanien (Klassen), fünf oder sechs Zensuren und einer akkuraten Aufstellung von Tischen und Stühlen in einem Klassen-Zimmer. Und bei diesem Front(al)-Unterricht steht vorn an der Spitze der Hauptmann bzw. die Hauptfrau und gibt in meist 45 Minuten den Takt an. Jedes Jahr gibt es dann Orden, Abzeichen und Abschlüsse und wird die Leistung nicht geschafft, wird der Schülersoldat* abkommandiert in einer andere Kompanie. Und die kleinen Soldaten* bekommen nach zehn Jahren einen Abschluss ihrer Ausbildung, einen Titel und können damit „in den Krieg ziehen“, um zu gewinnen.

Ich weiß, das klingt sarkastisch, aber vielleicht wird dir dadurch, lieber Leser*, auch klar, warum unsere Kinder so schnell die Lust am Lernen verlieren, besonders, wenn sie dann auch noch Sachen lernen müssen, mit denen sie sich teilweise überhaupt nicht identifizieren können. Ideal ist es immer, wenn ein Kind etwas lernt, weil es etwas lernen WILL und nicht MUSS! Ich möchte wieder auf meinen Abschnitt des „Leben-Lieben-Lernens“ hinweisen, in dem ich den Unterschied über MÜSSEN und WOLLEN erkläre. In beiden Fällen lässt sich die Person in ihrer Tätigkeit nicht unterscheiden, nur in der inneren Haltung gibt es den großen Unterschied, das eine ist Zwang, das andere ist Lust. Wenn wir also wollen, dass Kinder gern in die Schule gehen, um zu lernen, ist die Freiwilligkeit immer der anzustrebende Idealfall und wir sollten das in die Jahre gekommene System grundsätzlich ändern.

Reißen wir erst einmal wieder das ganze Schulsystem, an das wir uns seit Generationen gewöhnt haben und das keiner in ihren Grundfesten wirklich hinterfragen will, nieder und fangen mit der ganz natürlichen biologischen Lebensweise einer Familie und eines Kindes an: Wir Menschen brauchen gegenüber allen anderen Wesen auf der Erde, welche für die Aufzucht meist nur ein halbes Jahr brauchen, mit Abstand am längsten, etwa 15 bis 18 Jahre. Diese Zeit ist nicht nur für das Erlernen der Grundfähigkeiten Reagieren, Gehen, Sprechen, Verstehen, Essen und Trinken vorgesehen, welche schon etwa im 6. bis 7.Lebensjahr durch die „Hausschule“ der Eltern voll ausgebildet sind, sondern es schließen sich bis zum Erwachsensein noch Jahre des weiteren Lernens an. Bis vor 200 Jahren, als es noch keine Schulen für Kinder gab, lernten diese im Elternhaus, auf dem Hof und in der Werkstatt meist die Berufe ihrer Eltern, um diese später zu übernehmen. Die reichen Menschen konnten sich Hauslehrer für ihre Kinder leisten. Vereinzelt gab man Kinder auch ins Kloster, wo sie von anderen Menschen aufgezogen wurden. In den einfachen Bevölkerungsschichten gab es ganz verschiedene Handwerksberufe, für die das Lesen, Schreiben und Rechnen nicht unbedingt notwendig war. Die Kinder lernten meist in der Küche, in der Werkstatt, auf dem Hof und Feld alle Grundfertigkeiten von ihren Eltern und ihrer Großfamilie, welche ihre Lehrer und Lehrerinnen waren. Damals wäre niemand auf die Idee gekommen, dies als Kinderarbeit zu brandmarken, das Kind lernte durch die Arbeit in der Familie. Erst mit dem industriellen Zeitalter erfand man die Schulen, in welche die Kinder zehn Jahre gesteckt werden, während die Eltern ohne ihre Kinder in Fabriken, Büros und Dienstleistungsbereichen arbeiten. Hier wäre schon mal meine erste Hinterfragung gestellt, ob es gut ist, dass Kinder so getrennt von ihren Eltern lernen müssen. Erinnern wir uns nicht alle an unsere Kindheit, in der wir oft so neugierig waren, zu erfahren, wo und wie unsere Eltern arbeiten und uns blieben meist nur die Unterhaltungen am Abendbrotstisch, um zu erfahren, was sie genau tun. Der natürliche Antrieb ist immer, unsere Eltern nachzuahmen, so wie sie werden zu wollen, aber das können wir gar nicht durch die strikte Trennung an jedem Werktag.

Kinder wuchsen zudem spielerisch in den Beruf hinein. Sie spielten als kleine Kinder in der Nähe ihrer arbeitenden Eltern den ganzen Tag (Kindergartenzeit), dann stellten sie immer mehr Fragen und ahmten ihren Eltern spielerisch bei der Arbeit nach (Grundschulzeit), später übernahmen sie Aufgabenbereiche ihrer Eltern (Realschulzeit), bis sie dann die gesamte Arbeit im Großfamilienbetrieb selbstständig übernahmen (Berufszeit). In unserer modernen Schulwelt wird das Spielen schon ab der ersten Klasse meist schnell unterdrückt und dem Kind zeitig eine disziplinierte ruhige Lernhaltung auf einem Stuhl an einer Schulbank aufgezwungen, was wiederum zur schnellen Unlust führt. Das eingeschulte Kind will immer noch spielen bzw. spielend lernen, wie im Kindergarten oder zu Hause bei den Eltern.

Bald verliert das Kind den Sinn des Lernens, weil es keinen Zusammenhang zu einem späteren Beruf erkennt, der noch gar nicht feststeht. Es lernt nur noch um den Lernens willen. Die einzige Motivation ist, den Eltern eine Freude mit guten Zensuren zu machen bzw. sich den Ärger zu Haus mit schlechten Zensuren zu ersparen. Aber der tiefgreifende Sinn des Lernens mit der Verbindung zum reellen Leben geht meist verloren. Da hilft meist auch nicht der Satz „Das brauchst du vielleicht mal später!“, soweit schaut ein Kind nicht, es lebt immer im Hier und Jetzt.

Bei größeren Kindern wächst neben den eigenen Interessen und Hobbies teilweise schon der Wunsch, etwas zu arbeiten und Geld zu verdienen, es den Erwachsenen also nachzumachen. Leider müssen sie warten und auf der Schulbank ausharren, obwohl sie gar nicht mehr wollen. Sie besuchen die Schule, um niemanden zu enttäuschen und um den Abschluss zu schaffen, der ihnen dann eine berufliche Ausbildung garantiert, von der sie aber meist auch noch keine genaue Vorstellung haben. Alles in allem ist das alles irgendwie ein sehr starres System und viele fortschrittlich denkende Pädagogen wollen neue grunderneuerte Schulsysteme.

Müssen es eigentlich „Systeme“ mit Zensuren sein? Das schon! Eine zu freie, lockere und alternative Haltung dürfen wir auch nicht einnehmen, denn unser moderne Zeit verlangt nun mal auch neue Gegebenheiten, zum Beispiel, wenn junge Menschen sich für eine Arbeit bewerben wollen. Wir können nicht verlangen, dass der Personalchef einfach jemanden einstellt, ohne konkret zu erfahren, ob er oder sie einen ausreichenden Wissensstand in dem gewünschten Fachgebiet besitzt. Und er will nicht irgendwelche Beschreibungen und Beurteilungen, sondern einen fachlichen Abschluss bzw. Leistungsspiegel einsehen. Dies sollten wir also trotz allem beachten, denn dafür ist die fortgeschrittene Schule auch konstruiert, damit junge Menschen sich, wenn sie erwachsen sind, mit einem Lebenslauf und mit einem Leistungsnachweis bei einem Arbeitgeber bewerben können. Daran gibt es nichts zu hinterfragen.

Hier kommt nun mein Entwurf:

Wenn nun die Kritiker lieber an dem konservativen Schulsystem festhalten wollen, weil die Kinder sich noch nicht selbstständig entscheiden können, ist auch dies für die Übergangsphase kein Problem. Schüler/innen können in diesem neuen Schulsystem trotzdem die Fächer lernen, wie es die Gesellschaft seit Jahrzehnten gewohnt ist. Ich bin aber überzeugt, dass die klassischen 10-Klassen- und Abi-Abschlüsse keiner mehr mit all den Fächern absolvieren würde, wenn den Firmen und Unternehmen der Zensuren Spiegel meines Konzeptes ausreicht. Mein Konzept würde also anwendbar sein, um das starre Schulsystem zu öffnen, ohne viel umstellen zu müssen. Nur die Flexibilität und die Möglichkeiten für die Schüler wird größer.

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© Pilger Thomas
www.jebuga.de


Wohin soll die Nachtigall

(1990 – Gerhard Schöne)


Die Bäume haben sich dünn gemacht,
das Dickicht ward sauber planiert.
Der Hans hat die Fiedel zum Trödler gebracht,
jetzt wird er als Discjockey geführt.
Zu Johannis wird nicht mehr getanzt unterm Mond,
die Lampions sind längst verstaubt.
Vielleicht kommt ein Film, dass das Aufbleiben lohnt,
bis zehn Uhr ist Singen erlaubt.

Wohin soll die Nachtigall, wohin soll ich?
Da fehlt was, sagt mir mein Gefühl.
Ich mal` meine Sehnsucht, ich bin unterwegs.
Das ist es noch nicht, das Ziel.


Das Unkraut habn wir mit Gift weggemacht,
die Grillen sind tot oder still.
Die Frösche verließen den Dorfteich bei Nacht,
sie flohen vor Lauge und Müll.
Das Spiel unsrer Kleinen ist qualifiziert,
keins spielt mehr mit Holz oder Lehm.
Der Stahlbetonspielplatz ist desinfiziert,
die Wartung der Kinder bequem.

Der Harlekin wischt sich die Schminke vom Mund,
weil er keinen Kunstpreis erhielt.
Jetzt sammelt er harmlose Witzelchen und
hat nur noch in Nachtbars gespielt.
Jetzt läuft es sich leichter, jetzt geht es schon glatt,
die Bäume hier sind registriert.
Die Alten warn hungrig, und wir sind so satt,
so satt, dass man manchmal fast friert.

Wohin soll die Nachtigall, wohin soll ich?...

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