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Bevor wir zu den nächsten Kapiteln kommen, muss ich erst einmal etwas Grundsätzliches klären, da ich weiß, dass ab jetzt einige Leser Anstoß an dem nehmen, was ich schreibe.


Liebe und Konsequenz

Die Liebe ist das, was uns Menschen auszeichnet. Wenn wir diese nicht anstreben, dann rutschen wir ab und leben wie Tiere nur nach dem Selbsterhaltungstrieb, dem Rudelverhalten und den ganzen instinktiven Mechanismen, die ich schon im himmlischen Teil beschrieben habe. Für dieses Ausstrecken nach dem Edlen, Guten und Wahren steht die linke Seite mit dem Herzen in der Hand. Dies stellt aber nur den Gebenden und nicht den Empfangenen dar. Wie wird mein Gegenüber mit meinem Liebesangebot, mit meinem Herzen und mit meinem Geschenk umgehen? Wird er es dankbar entgegennehmen? Hoffentlich! Nun gibt es auch den Fall, dass jemand dieses Angebot als selbstverständlich ansieht, oder nur zu seinem Vorteil ausnutzt, oder mein Gegenüber ist so hilfsbedürftig bzw. es sind so viele, dass ich daran zugrunde gehe, weil mir bald die Kraft fehlt, so viel Liebe und Fürsorge meinem Gegenüber entgegenzubringen. Umgekehrt stehe ich vielleicht selbst als Elternteil mit Kindern, als Verantwortlicher eine Gemeinschaft oder als Präsident einer Gesellschaft in der Verantwortung, auch an meine Kinder, meine Familie, Gemeinschaft und Gesellschaft zu denken. Da wäre es sehr verantwortungslos, wenn ich den Märtyrer spiele und das ganze Brot verschenke, mich überrennen oder gar selbstlos erschiessen lasse. Und genau an diesem Punkt sollte der Mensch auch im Stande sein, seine Hand zu einem Stopp zu wenden. „Bis hier hin und nicht weiter!“ Keine Faust, denn das wäre Gewalt. Der Mensch darf Liebe und Hilfe verweigern, wenn er

  1. schon genug gegeben hat und auch an sich und seine Nächsten denken muss oder
  2. wenn er erkennt, dass sein Gegenüber keine Liebe, sondern eher Konsequenz braucht.

Ich betone noch einmal: Diese Konsequenz ist nicht zu verwechseln mit gewalttätigen Handlungen, sondern ich versuche das falsche Handeln meines Gegenübers ihn selbst spüren zu lassen bzw. dass ich nicht mehr geben kann oder will, diese Freiheit steht mir zu. Jetzt mag jemand einwerfen und entgegnen: „Woher weißt du denn, was richtig oder falsch ist!?“ Dies ist immer das schwierigste, zu erkennen, welche Entscheidung die bessere und die wirkungsvollere ist. Bei allen sollten wir immer erst das Herz in Erwägung ziehen, denn dies macht uns zu wahren Menschen. Wenn wir zu oft das Stoppzeichen setzen, werden wir zu Egoisten. Bedingungslose Liebe und Gewaltfreiheit sind die Tugenden, die es anzustreben gilt, damit wir menschlicher, ja sogar himmlischer bzw. göttlicher werden. Durch diese Handlungen werden wir unser Umfeld genauso anstecken und positiv inspirieren, wie im gegenteiligen Sinne Krieg und Gewalt die Menschen abstumpfen und verrohen lässt. Wir werden aber in einer Welt, in der es noch Krieg, Gewalt, Macht, Dummheit, Faulheit, blinde Gier und die vielen anderen animalischen Reflexe gibt, auch auf Situationen stoßen, in denen wir uns entscheiden müssen, ob wir uns überrennen, ausnutzen und plündern lassen, oder ob wir unserem Gegenüber eine Grenze setzen, um uns zu schützen. Der animalische Egoist nun sagt gleich am Anfang „Stopp!“, er denkt nur an sich und kennt keine Liebe zu den Fremden, die ihn bedrängen, nur sein unmittelbares Umfeld und seine Nächsten interessieren ihn. Der Edle oder „Gutmensch“, der sich nach Liebe ausstreckt, hat oft ein Problem damit, irgendwann auch mal seine Liebe zu verweigern. Aber er sollte es lernen, besonders, wenn er Mitverantwortung für andere trägt. Natürlich kann er auch das Martyrium wählen, um sein Gegenüber damit (hoffentlich!) zum Nachdenken anzuregen, aber dies sollte nicht auf dem Rücken anderer ausgetragen werden.

Hier ein gutes Beispiel dafür: Der Konflikt zwischen den Hindus und den Moslems in den Jahren vor 1947, als die Briten Indien aufgeben mussten: Den Sieg über die britische Besatzung erreichte Mahatma Gandhi eindrucksvoll mit gewaltfreien Aktionen und zivilem Ungehorsam in Form von großen Protestbewegungen und Streiks. Als aber die Briten ihre Macht verloren hatten, fing der Konflikt erst richtig an: Die Moslems wollten ihre Rechte und die Hindus ihre Privilegien und beide Lager stritten sich immer mehr. Gandhi hielt an seiner Lehre der Gewaltfreiheit und Demut fest und anfangs auch viele Hindus, die ihm vertrauten. Aber sie mussten zusehen, wie viele der Moslems das ausnutzten und ihren Einfluss in den Regionen ausbauen wollten. Irgendwann platzte bei vielen Hindus die Geduld und Nächstenliebe und es entstanden brutale Bürgerkriege. Mahatma Gandhi musste zusehen, wie sein eigenes indisches Volk sich bekriegte und sich später teilte (Pakistan), aber er konnte nicht mit seiner Lehre der Liebe und Gewaltfreiheit überzeugen, weil das Volk noch nicht reif dafür war. Deshalb hat Mahatma Gandhi bis zum heutigen Tag zwar viele Verehrer, aber auch viele, die ihn wegen seiner Lehre der Gewaltfreiheit hassen, weshalb er auch von einem extremistischen Hindu erschossen wurde.

Mit diesem Kapitel wollte ich dich, lieber Leser*, also darauf vorbereiten, dass ich im folgenden nicht immer nur „Friede-Freundschaft-Eierkuchen“ Aussagen treffe und Lösungen vorschlagen werde, die eben nicht „alle Grenzen abreißen“, „alle Flüchtlinge aufnehmen“ und „allen Besitz gerecht aufteilen“ werden. Ich träume von so einer Welt ohne Grenzen, Gewalt und Besitzdenken und strebe sie an, damit sie Wirklichkeit wird, aber um dahin zu kommen, bedarf es eines langen Weges. Auf alle Fälle ein Weg mit Herz, aber eben auch mit Verstand und dazu mehr in den jeweiligen Abschnitten.

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© Pilger Thomas
www.jebuga.de

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