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KI, Matrix und die virtuellen Welten

Die goldene Sonne steht vor dir über dem weiten glitzernden See und in der Bucht tief im Tal liegt dein Schiff vor Anker und nun reitest du mit deinem treuen Pferd durch die Wälder, es begegnen dir die verschiedensten Tiere, die schnell fliehen, ich du tötest eines, ohne stehenzubleiben mit deinem Bogen, um dein Inventar aufzubessern und jagst zur nächsten Kampagne, zum nächsten Auftrag, um das Abenteuer und das Level abzuschließen und auf einmal ... hörst du den Schlüssel im Schloss, deine Frau oder Mutter kommt von der Arbeit. Scheiße! ... oder du schaust auf die Uhr und merkst, es ist schon 2 Uhr nachts und du musst 6 Uhr raus ... oder das Telefon läutet, welches dich ähnlich wie im Film "Matrix" aus der virtuellen Welt herausreißt: "Ach lass es klingeln!"
🙂 Jaja, ich kenne sie, die virtuellen Welten! Sie sind so verdammt beeindruckend, mitreißend und abenteuerlich, dass man Zeit, Raum und Verantwortung um sich herum vergisst bzw. schnell vergessen mag, weil der reale Alltag so eintönig und langweilig ist. Warum nicht voll eintauchen in diese faszinierenden virtuellen Welten mit allen Sinnen, den ganzen Tag, ohne Unterbrechung? Naja, das will man auch nicht, man besinnt sich, dass man seine familiären Pflichten hat, zur Arbeit gehen muss, die Eltern ausrasten würden und irgendwann meldet sich auch der Hunger und die Müdigkeit. Aber es ist ein ständiger Kampf und ein „Hin-und-Her-Gerissen-sein“ zwischen diesen beiden Welten.
Ich habe ganz bewusst erst einmal die virtuelle Welt aus der Sicht der Person beschrieben, die sich zu dieser virtuellen Welt hingezogen fühlt oder schon sehr in sie eingetaucht ist. Wie sieht und beobachtet es aber die Person in der reellen Welt, deine Partnerin, die Kinder oder Eltern, die dich ständig am Monitor sitzen oder mit einer VR-Brille stehen sehen? Trostlos! Immer dieser gebannte oder verdeckte Blick auf die flimmernden Bildschirme, die trommelnden Finger, die runzlige Stirn. Du bist für sie alles andere als ein Held! Wie wird es 2050 sein? Kompletter Anzug mit Sensoren in einer überdimensionalen Laufkugel, um alle Sinne und Bewegungen des Körpers noch spürbarer einzubeziehen? Das wird kommen. Die Freundin, Ehefrau oder Eltern dürfen nicht stören, nur an die Tür klopfen. Und er macht es tage-, ja vielleicht wochenlang! Und wenn du das Problem nicht nur in einer einzelnen Wohnung, sondern in einer ganzen Stadt, ja in der ganzen Welt von oben aus vielen Fenstern flimmern siehst und alle in diesen vorprogrammierten virtuellen Welten ihre Abenteuer lokal oder vernetzt ausleben, dann weißt du, die Matrix ist im vollen Gange!
Will ich das jetzt alles schlechtreden bzw. schlechtschreiben? Nein! Kannst du dich an eines meiner Lieblingszitate erinnern?

‚Alles ist uns erlaubt, aber nichts soll uns gefangen nehmen!‘

Ich glaub, ich muss jetzt nicht irgendwas moralisieren. Natürlich kommt mein Pilgerleben so einem virtuellen Adventure-Spiel schon etwas näher, als ein normales bürgerliches Leben, bei dem Papa jeden Tag zur Arbeit geht und abends vor dem Fernseher einschläft. Und trotzdem solltest du dir eines klar machen: Wenn du auf deinem Sterbebett liegst und schaust auf dein Leben zurück, was wird dir ein zufriedenes Gefühl vermitteln? Erfolgreich in den virtuellen Welten die Levels geschafft zu haben? Das glaub ich nicht! Du wirst eher stolz sein, Kariere gemacht, eigene Abenteuer erlebt und vorgenommene Projekte umgesetzt zu haben, für deine Familie und deine Kinder ein guter Vater gewesen zu sein, viele Freunde und Bekannte gehabt und mit ihnen so viele schöne Dinge zusammen erlebt zu haben. Ein Mensch, der sein Leben kaum selbst mit vielen schönen Dingen und Abenteuern gelebt hat, sondern sich nur durch Medien und virtuelle Welten scheinbefriedet hat, wird sich unweigerlich am Ende seines Lebens die Frage stellen: „Habe ich wirklich mein Leben gelebt oder habe ich es mir nur vorleben lassen durch eine Scheinwelt der spannenden Spielfilme, ellenlangen Staffeln, virtuellen Welten, ständigen Fußballspielen, ja auch mitreißenden Romanen und Biographien. Ja du hast richtig gelesen, selbst Bücher können dich von deinem selbst gelebten Leben ablenken und dich träge und passiv machen: Ständig träumst du anderen nach, wie sie ihr Leben meistern, fieberst mit den Helden/innen in ihren Abenteuern mit, aber du vergeudest einen Tag nach dem anderen, egal ob mit dem Buch in der Hand, dem Spielfilm, welchen du nach langem Zippen in der Mediathek gewählt hast oder mit einem weiteren Adventurespiel.
Ich will unsere Medien in Form von Büchern, Fernsehen, Spielfilmen und Computerspielen nicht als etwas negatives abstempeln, weitgefehlt! Sie sind gut und notwendig für Inspiration und Entspannung, aber niemals ersetzen sie dein wahres Leben! Das geschieht erst, wenn du dich erhebst und selbst dein Leben lebst, damit du bald zufrieden zurückschaust und sagst: „Ja! Ich habe geliebt, gelitten und gelebt und nicht nur zugeschaut!“ und andere von dir sagen, dass du ein großartiger Mensch warst, deine Kinder, Partner/in, deine Freunde und Bekannten. Dies wird besonders dann seinen Sinn und seine Tiefe bekommen, wenn du dich nicht nur selbstverwirklichst, sondern auch anderen dabei hilfst, sich zu verwirklichen, also die Liebe lebst, denn auch Romane, Spiele und Filme handeln immer vom gelebten Leben mit anderen Menschen, Situationen und Abenteuern.
Lassen wir uns also von Romanen fesseln, von Sachbüchern zu neuen Erkenntnissen verhelfen, schauen wir uns im Fernsehen an, wie sich Menschen in Talkrunden unterhalten, in Shows miteinander streiten, lachen und konkurrieren, sehen wir uns einen tiefgründigen Film an oder spielen ein Adventurespiel am Computer, alles soll zur Inspiration, zum Nachdenken und zur Entspannung verhelfen. Aber sehe immer die Gefahr darin, dass deine eigene Lebenszeit und Lebenskraft allmählich verrinnt, dein Alltag sehr langweilig und eintönig werden kann, wenn du zu viel davon konsumierst und selbst passiv bleibst und dich immer nur in diesen Traumwelten aufhältst. Wenn du merkst, dass du viel zu tief in der Matrix steckst, dann schalte alle Ablenkung um dich herum aus, ziehe alle Stecker und Verbindungen an dir, wie im Film "Die Matrix", klappe das Buch zu (vielleicht auch dieses hier!) und frage dich, was du in deinem Leben selbst machen willst und dann beginne, deine eigene Story zu leben. Am Anfang wirst du noch eine gewisse Leere verspüren, ähnlich wie auf einer Entziehungskur, aber bald wirst du merken, dass du wieder selbst lebst und dir bewusst wird, wie abwesend und süchtig du warst.

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© Pilger Thomas
www.jebuga.de



Und wenn die ganze Erde bebt

(1984 – Herman van Veen)


Jeden Abend denk ich beim Spazierengehen,
warum ist hier draußen kein Mensch zu sehen?
Doch die Nachbarn interessiert kein Abendstern,
alle sehen, wie ein Blick durchs Fenster zeigt, nur fern.
Ausgezählt und ausgelaugt und ausgebrannt,
Haus für Haus steht alles wortlos tief gebannt,
und beweisen die Bilder auch das Gegenteil,
in den Zimmern ist und bleibt die Welt noch heil.

Und wenn die ganze Erde bebt,
das Fernsehvolk bleibt unberührt,
weil der, der nur am Bildschirm klebt,
die Wirklichkeit nicht mehr spürt.


Jede Wohnung ist ein isolierter Raum,
und durch die vier Wände dringt kaum ein Ton.
Man sieht und sieht, und was man sah vergisst man prompt,
es wird alles aufgesehen, was auf den Bildschirm kommt.
Da ist kein Platz mehr für Liebe und Begeisterung,
da stirbt jede Diskussion bei Alt und Jung.
Das einzig Frische hier ist höchstens noch das Bier,
und die Phantasie bleibt draußen vor der Tür.

Eines Abends kommt das Fernsehpublikum,
ohne dass es etwas merkt, plötzlich um,
nicht durch Langeweile oder Ungeduld,
es wird von einer fremden Macht ganz einfach eingelullt.
Durch gezielte, ständige Berieselung
mit Pessimismus schwindet schnell der letzte Schwung,
ein Schuss Rassismus, wenn der noch was übriglässt,
ein Schuss Zynismus gibt allen dann den Rest.

Und wenn die ganze Erde bebt...

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