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Alte und neue Pilgergeschichten

Wenn wir Menschen kennenlernen, die gerade alternativ zu Fuß oder mit dem Fahrrad die halbe Welt bereisen, stellen wir uns das meist sehr abenteuerlich, aufregend und romantisch vor. Wir sehen nur die Sonnenseite, aber wenn es gerade regnet, wollen wir schnell nach Haus und sehen nicht nach links oder rechts, ob da einer unterm Dach einer Bushaltestelle sitzt und sich halb nass seine Blasen an den Füßen versorgt oder flucht, dass sein Fahrrad wieder eine Panne hat. Wir sehen nur das freie Unbeschwerte eines solchen Aussteigerlebens. Jeder, der mal eine lange Wanderung, eine Pilgerreise oder ein lange Tour mit dem Fahrrad unternahm, weiß, dass es da auch lange Durststrecken und nervige Zwischenfälle gibt, bei denen man am liebsten alles hinschmeißen und abbrechen möchte. Trotzdem gibt es zwischendurch auch immer Ereignisse und Begegnungen, die so besonders und spontan passieren, dass auch ich hier einige zum besten gebe, nicht viele, denn wie du schon bemerkt hast, lieber Leser*, geht es mir in diesem Buch nicht so sehr um eine Selbstdarstellung oder darum, dich zu unterhalten, sondern dich zu inspirieren, auch das zu tun, was du für aufregend und spannend hälst. Geschichten aus dem Leben sind viel interessanter, als lange Theorien über das Leben. Also, schauen wir uns mal die Praxis an, wie Menschen auf einen Pilger reagieren, der singend durch das Land zieht:

Pilgergeschichten ab 2020

Mein alter Zahnarzt nach 25 Jahren

Ich hatte damals in meiner "Aussteigerzeit" der 90er Jahre das Glück gehabt, einen Zahnarzt kennengelernt zu haben, der mich ohne Karte einer Krankenkasse behandelte und ich als Gegenleistung auf seinem Grundstück 2-3 Wochen arbeitete. Ich hatte ja keine Verbindungen mehr zum Staat, keine Ausweise, keinen Führerschein und keine Chipkarten. Nun, nach 25 Jahren, kam ich in die Gegend (Sigmaringen), die mich erinnern ließ. Ich fand seine Zahnarztpraxis im Internet, rief an und vereinbarte einen Termin für nur 5 Minuten auf dem Zahnarztstuhl und fragte die Zahnarzthelferin, ob wir dies als Überraschung nach dem Motto "Kennst mich noch?" hinbekommen können. Die Zahnarzthelferin willigte ein, Frank kam um die Ecke und er stand wirklich eine Weile da und sagte: "Ja, du kommst mir bekannt vor!" Als er dann "Pilger Thomas" hörte, klickte es und wir freuten uns über das Wiedersehen nach über 20 Jahren im Jahre 2020, auch ohne Umarmung wegen "Corona". Er lud mich nach seiner Arbeit zu sich und seiner Familie wieder ein und ich übernachtete bis zum nächsten Tag bei ihm im Gästezimmer.

Benediktinische Tage in einem Kloster

Im Jahr 2023 besuchte ich das Kloster Esthal, weit oben im Pfälzer Wald gelegen, welches seit 2022 von keinem Orden mehr besetzt war. Die letzten Ordensschwestern wurden aufgrund ihres hohen Alters und der beschränkten Zahl von der katholischen Kirche in andere Klöster und Altenheime abkommandiert bzw. verteilt. So wie es eine Kirchenflucht gibt, so sterben auch allmählich die Klöster und Orden in Deutschland bzw. Europa aus. Die Übergangszeit des Klosters Esthal mit dem Gästebetrieb wurde von einem Pfarrer und einer Handvoll Mitarbeiter bewerkstelligt, die jedoch hoffnungslos überlastet waren. Zur rechten Zeit kam an dem verlängerten Frohenleichnam-Wochenende, an dem besonders viele Gäste eincheckten, ich und Andrea "des Weges" (Andrea kam ein paar Tage mit) und schnell erkannten wir die Notwendigkeit, bei der Versorgung und Bereitstellung der Essenszeiten auszuhelfen. Außerdem fegte ich nicht nur den Speiseraum, sondern gleich das ganze Kloster mit all den langen Fluren, Treppen und der Basilika. Es waren für mich sehr schöne Klostertage, weil durch die Versorgung der Gäste, der recht einfachen stundenlangen Arbeit mit dem Besen, meiner lithurgischen Gesangspausen in der Kirche, ich in einer Stimmung kam, die dem benidiktinischen Motto "arbeite und bete!" sehr nah kam. Eine Familie hatte dann auch noch zufällig eine Gitarre mit, so daß es am Samstag Abend auf der Terasse ein kleines Konzert gab. Der Pfarrer verabschiedete uns mit viel Dankbarkeit im Herzen und als er fragte, wie es sein kann, dass wir genau zur richtigen Zeit gekommen sind, hab ich nur nach oben gezeigt und gesagt, dass wahrscheinlich ER das so geregelt hat. 😉

Pilgergeschichten von 95-98

Der kleine Tobias zeigt uns Erwachsenen, was Gastfreundschaft heißt

Auf meiner ersten Pilgertour im Jahr 95 war es ein kleiner angagierter Junge, der mir eine Übernachtung besorgte. Er hörte mir auf der Fußgängerzone von Wismar zu, lauschte jeder Silbe meiner Lieder, bis er mich irgendwann fragte, wer ich bin und wo ich schlafen werde. Als er hörte, dass ich wahrscheinlich draußen übernachte, reagierte er sehr erschüttert und radelte, ohne dass ich das wollte, mit dem Satz davon: "Ich frag meine Eltern, ob du bei uns übernachten kannst!" Er war so schnell weg, dass ich gar keine Zeit hatte, ihn das auszureden, da seine Eltern mich doch gar nicht kennen und nicht einfach zusagen werden. Er kam bald ganz traurig wieder und bestätigte mich, dass seine Eltern das nicht wollen. Er hörte wieder ein paar Liedern zu. Irgdendwann fuhr er wieder los und rief mir zu: "Ich versuch es nochmal!" Ich schüttelte begeistert und angetan von diesem Jungen den Kopf. Dies wiederholte sich noch einmal, bis auf einmal ein junger Mann mit Fahrrad bei mir hielt und sich als der Vater von Tobias ausgab: "Also sie glauben gar nicht, was zu Hause bei uns los ist. Unser Sohn Tobias nervt uns seit 2 Stunden, dass wir sie einladen müssen zum Übernachten. Wir haben eine kleine Gartenlaube ganz in der Nähe hier, dort können sie die Nacht verbringen, auch mehrere Tage. Wir haben alles vorbereitet." War das eine Überraschung! Für einen Straßenmusikant ist das optimal, wenn er gleich in der Nähe der FZ eine kostenlose Herberge hat, um zu übernachten. Tobias war natürlich auch glücklich, dass ich nicht draußen schlafen musste.
Der Papa von Tobias war übrigens der Küster der Backsteinkirche in Wismar, der größten seiner Bauart in Europa, wie er mir erzählte. Ich ging am Wochenende gern zu ihnen in den Gottesdienst und sang auch ein Liedchen. Tobias nun wünschte sich nichts sehnlicheres, als dass ich auch mal zu ihnen nach Hause komme und ihm und seinen kleinen Geschwistern Lieder singe. Da Mama und Papa von den vielen kleinen Kindern recht beansprucht waren und es schon abends war, schlug ich vor, dass sie sich alle fertig für die Nachtruhe machen, sich in ihre Bettchen legen und ich mich dann in die Mitte ihres gemeinsamen Kinderzimmers setzte und noch einige Kinderlieder für sie sang. Sie können sich bestimmt vorstellen, wie glücklich Tobias, aber auch ich war. Es ist so schön, leuchtende Kinderaugen zu sehen, während man Lieder singt, als immer nur die geschäftigen Erwachsenen auf der Fußgängerzone vorbeihetzen zu sehen. Unsere Kinder sehen die Welt noch so tiefgründig und konzentriert und hören wirklich zu.

Die schockierte Mutter

Es sollte nicht lange dauern, bis es einige Tage später wieder eine Story gab, die es wert ist, hier zum Besten zu geben: In Schwerin setzte ich mich in die kleine süße überschaubare FZ und nach einem halben Tag arbeiten und singen kam auf einmal eine Frau um die 30 auf mich zu und lud mich spontan zum Abendbrot gleich im 2.Stock über mir in dem Haus ein, woran ich saß. Als ich in die Stube kam, eröffnete sich mir ein "Bild für die Götter": ein runder Tisch mit kleinen süßen Kindern, die alle gerade ihr Abendbrot löffelten und ein freier gedeckter Platz für mich. Sie hatten mir schon bei offenem Fenster zugehört und kamen auf die spontane Idee der Einladung. Ich durfte in der Stube auf der Couch schlafen und gab den Kindern noch ein paar Lieder, zum Beispiel das Popellied von Gerhard Schöne, der Hit aller Kinder und Erwachsenen vor dem Schlafengehen zum besten.
Bald bekam meine Gastgeberin aber ein Problem: Der Junge Julio, der nicht ihr Sohn war, sondern zur Betreurung für 2-3 Wochen von ihrer Freundin abgegeben worden ist, weil sie auf Kur musste, war krank und meine Gastgeberin hatte am Tag darauf vormittags einen wichtigen Termin und wollte Julio nicht allein zu Haus lassen. Sie fragte, ob ich nicht mal auf Julio aufpassen könnte und gern bot ich mich als Babysitter an, wobei er auch schon so etwa 6 Jahre alt war. Er erholte sich aber am darauffolgenden Tag schon recht schnell und wir machten einen gemütlichen Spaziergang Hand in Hand durch das Stadtzentrum von Schwerin. Als wir in der Stadtkirche waren, fragte er mich, wer der da am Kreuz sei. Wie schön ist es, wenn man ohne viele Worte einem Kind klarmachen kann, dass Jesus heute auch ähnlich wie ich durchs Land laufen und von der Liebe reden würde. Das hat er verstanden.
Mittags machte ich Julio das Essen warm und dann passierte es: Das Telefon klingelte und ich ging mal ran, weil ich dachte, es wäre meine Gastgeberin. Aber nein, es war die Mutter von Julio selbst, die nachfragen wollte, wie es ihrem Sohn geht. Du kannst dir bestimmt vorstellen, wie sich die Mutter wunderte, dass auf einmal ein fremder Mann am Telefon war. Und als ich ihr erklären wollte, dass ich am Tag zuvor spontan eingeladen wurde und "auf der Straße lebe" (okay ich versuchte es der Mutter schonender am Telefon zu erklären), hörte ich immer nur ein fassungsloses "Was? Sie kann doch nicht..." Die Mutter war total aufgebracht und dachte, ich wäre ein Penner von der Straße. Meine Gastgeberin und die Mutter von Julio hatten später nochmal eine harte Aussprache am Telefon und samstags wollte die Mutter kommen, um sich zu überzeugen, dass ich wirklich kein Penner bin. Na als am Samstag auf der FZ eine Frau auf mich zukam und sagte: "Ach so schlimm sehen sie ja wirklich nicht aus! Hallo, ich bin die Mutter von Julio!", waren endlich alle Ängste und Vorurteile aus dem Weg geschafft.
Beide Frauen konnte ich gut verstehen und sie haben in ihrer Situation das richtige getan. Auf der einen Seite sollten wir Kindern vorzeigen, was Vertrauen und Gastfreundschaft bedeutet und dass nicht jeder böse ist, der arm ist und auf der Straße lebt, auf der anderen Seite sollten wir als "Schutzbefohlene" auch immer unseres Amtes walten und auf unsere Kinder achten. Dabei sollten wir es jedoch nicht übertreiben, wie manchmal heutzutage zu beobachten ist, dass den Kindern jeglicher Kontakt zu fremden Personen bis zum Grüßen verboten wird.

Die "Betrinkung der Fünftausend"

In Kiel saß ich wie immer mit meinem Schild "Ich spiele nicht für Geld, sondern für euch!" auf der FZ und es entwickelte sich allmählich ein kleines Woodstock um mich herum. Nicht nur die Straßenleute setzten sich zu mir, auch Punks, Freaks und einfach nur Jugendliche. Außerdem war ich immer gern bereit, meine Gitarre anderen weiterzugeben. Irgendwann fiel dieses Gelage und ich mit meinem Rucksack und Schild mittendrin dann doch einem älteren Ehepaar auf. Der Mann winkte mich mit einer Handbewegung aus der Menge zu sich. Er deutete auf mein zweites Schild mit 'Suche das Himmelreich auf Erden!' und sagte: "Und Sie meinen, das ist jetzt das Himmelreich ja? Wenn wir nur noch wie die Penner auf der Straße herumgammeln." Natürlich erklärte ich dem Mann höflich, dass ich hier nicht herumgammle, sondern die Gestrandeten inspirieren will, wieder was aus ihrem Leben zu machen. Als er dann meine Frage, ob er gläubiger Christ ist, bejahte, versuchte ich ihm klarzumachern, wie denn Jesus heute mit den Menschen auf der Straße umgehen würde und ob er sie auch einfach links liegen lassen würde. Irgendwann verstand mich der Mann, blieb aber trotzdem skeptisch.

Wir sollten einen ehrlichen Umgang mit den armen Leuten auf der Straße anstreben, natürlich nicht alles tollerieren, auch ich überführte sie oft in Gesprächen dazu, dass sie einfach nur faul sind und sich gehen lassen. Ich beschämte sie, indem ich ihre leeren Bierdosen aufräumte, die sie einfach auf der Straße liegen lassen wollten (in den 90ern gab es noch keinen Dosenpfand). Mir gegenüber hatten sie keine Chance, sich selbst zu bemitleiden, denn ich war ein noch "ärmeres Schwein" wie sie und verzichtete trotzdem auf die sozialen Unterstützungen des Staates in Form von Suppenküchen und Tafeln. Sie verstanden selbst bald, dass sie eigentlich das tägliche Geld nur für ihren Alkohol- und Nikotingenuss verschwendeten, wenn es ihre grauen Zellen noch zuließen. Aber trotz der ganzen Faulheit und Sucht erkennst du im Gespräch schnell, dass die meisten keine gute Kindheit hatten. Sie wurden eigentlich von Geburt an schon von den Eltern hängengelassen. Wenn ich in den 20 Jahren meiner familiär-bürgerlichen Zeit durch die Fußgängerzonen einer Großstadt ging, habe ich mir immer einen Bettler oder Straßenmusikanten ausgesucht, gegenüber dem ich ein gutes Gefühl hatte und mir sicher sein konnte, dass er das Geld nicht in Drogen umsetzt und wenn ich dann einem Geld gegeben habe, dann war mein Gewissen rein. Man muss nicht zu allen Menschen gut sein und ihnen was geben, wenn sie einen anschnorren. Sei es einmal am Tag zu einem und die anderen können dir dann mit gutem Gewissen egal sein. Tust du es aber nicht, so würde ich dir gern mal so ein Leben wünschen, bei dem du schon als Kind vom Vater geschlagen, oder vergewaltigt worden bist, oder die Arbeitslosigkeit dir den Boden unter den Füßen weggerissen hat und dir nichts mehr blieb, als das Sozialamt und die Straße und du aus diesem Teufelskreis nicht mehr herauskommst. Sei also dankbar und gebe immer mal etwas von deinem Reichtum ab und dein Herz und dein Gewissen werden es dir mit einem guten Gefühl zurückzahlen.

Der Blumenverkäufer

Diese Geschichte auf meiner ersten Pilgertour ist ganz süß und kurz erzählt. Ich saß in Hamburg-Altona auf der FZ und eine Frau stellte mir als Dankeschön für die schönen Lieder Blumen im Topf vor mich hin. Diese Idee fanden andere wahrscheinlich so klasse, dass sie es nachmachten und stellten auch welche hin. Irgendwann standen so viele Blumen vor mir, dass irgendwann ein Mann kam und fragte, ob ich ein Blumenverkäufer wäre und ob er diese da kaufen kann. 😁 Ich hab an den Tag oft "Sag mir wo die Blumen sind" gesungen.

Das "bittere Feld"

Meine erste Pilgertour 95 führte auch durch Bitterfeld und sprichwörtlich gab es dort ein recht bitteres Ereignis. Auf dem Marktplatz gesellte sich ein älterer Mann zu mir, dem ich ansah, dass Alkohol und Nikotin seine besten Kumpels waren. Eigentlich lassen Leute von der Straße die Strassenmusikanten in Ruhe, weil die Musiker ja Geld verdienen und nicht gestört werden wollen, aber durch mein damaliges Schild "Ich spiele nicht für Geld, sondern für euch!" gesellte sich doch hin und wieder der eine oder andere zu mir. Werner nun war ein guter Kerl und zu meiner Überraschung lud er mich in seine armselige kleine Wohnung ein, die er noch hatte. In der Stube, in der nur noch ein Tisch und ein altes Sofa stand, konnte ich übernachten. Mir hat das völlig ausgereicht und ich war angetan von Werners Gastfreundschaft.
Nun in der Nacht geschah etwas, was ich ungern wieder erleben will. Vor der Haustür auf der Straßte brüllten welche und schlugen ständig laut gegen die Tür. "Werner, du dummes Arschloch, mach die Tür auf, wir wissen, dass du da bist!" Werner, glaub ich, war viel zu betrunken, als dass er was mitbekam. Irgendwann hörte ich unten die Tür aus den Angeln krachen und schwere Schritte kamen die Treppe hoch. Ich hörte im Zimmer von Werner lautes Geschrei und Schläge. Irgendwann kamen die schweren Schritte durch den Flur in die Stube. Ich saß schon in meinem Schlafsack auf der Couch. "Und was ist das für ein Arschloch da!" brüllte wahrscheinlich der Boss mit seiner genieteten Lederjacke und mit seinen zwei Kumpels. Hinter ihm sah ich auch Werner kommen, dem Nase und Lippe blutete und rief: "Lasst ihn in Ruhe, der ist okay! Das ist ein Straßensänger. Der hat mit dem ganzen nichts zu tun!" Der dicke und breitschultrige Boss stand direkt vor mir. Natürlich hatte ich Angst, dass er auch mich verprügelt und ich hätte bestimmt keine Chance gehabt. Auf einmal schnappte er meine Gitarre ... streckte sie mir entdecken und sagte: "Los! Spiel was!" Natürlich fing ich an zu spielen und hoffte, die drei mit den richtigen Liedern zu beruhigen. Und es gelang mir. Sie taten mir nichts und drehten wieder ab. Als sie weg waren, erklärte mir Werner, dass er noch Schulden bei ihnen hat und sie das Geld wiederhaben wollen. Er machte sein Gesicht sauber und wechselte sein Unterhemd und jeder legte sich wieder auf sein Nachtlager.
Du kannst dir bestimmt gut vorstellen, dass ich nicht gleich wieder einschlafen konnte, zu aufgewühlt war ich. Außerdem musste ich damit rechnen, dass die Leute in der Nacht wiederkommen. Ich war kurz davor, meine Sachen zu packen und die Wohnung von Werner lieber schon in der Nacht zu verlassen. Aber ich hatte ein schlechtes Gewissen und wollte nicht als Angsthase gelten. Naja und dann sollte genau das eintreffen, was ich befürchtete. Sie kamen wieder! Diesmal aber gleich zu mir in die Stube. In den Händen Cola- und Wodkaflaschen. Sie wollten Party mit mir machen. Mmmhhh! Ich war müde! Aber klar, wenn ich mich weigere, wären sie vielleicht wieder aggressiv geworden. Also spielte ich die Musikbox für sie. Das erstaunliche ist, dass die stärksten Männer meist die weichsten in ihren Herzen sind und der Boss bei Conny Cramer und allen anderen alten Hits geheult hatte, wie ein kleiner Junge. Nach 1-2 Stunden versuchte ich dann doch ihnen zaghaft beizubringen, dass ich müde bin und morgen auch gern wieder auf der Straße singen würde. Sie ließen dann Werner ein Matraze in ein Nebenzimmer legen, welches sehr vermüllt war, weil sie noch weiterfeiern wollten.
Als ich nach wenigen Stunden am Morgen wieder aufstand, saßen sie immer noch in der Stube. Sie hatten es gut mit mir gemeint und mir ein Frühstück von der Tankstelle besorgt. Nur auf eine recht unliebsame Art: Den armen Werner haben sie zu Fuß zur Tankstelle geschickt und die war drei Kilometer entfernt. Der arme Kerl tat mir leid, war die halbe Nacht unterwegs. Aber irgendwie hatte ich zu viel Schiss, das gebe ich ehrlich zu, den Moralapostel zu spielen und das Frühstück zu verweigern.

Ja bei der Geschichte merken wir, wie eng doch das Böse und Gute beieinanderliegen und wie wir auch mit unseren Ängsten fertig werden müssen.

Der Engel über der Schwitzhütte

Eine besondere Übernachtung gilt es ausführlicher zu berichten, da sie fast meine letzte gewesen wäre. Es ereignete sich etwa 97 zwischen zwei Pilgerreisen und ich hielt mich einige Tage in der Ökodorf-Gemeinschaft Groß Chüden (heute „Sieben Linden“) auf, welche auch eine große Wiese mit Tipis und einer Schwitzhütte besaß. Und genau in dieser Schwitzhütte übernachtete ich mit meinem Ruck- und Schlafsack. Die Hütte war recht groß gebaut, so dass ich in ihr aufrecht sitzen konnte, während die Beine im Feuerloch waren. Sie war aus starken Weiden und Lehm gebaut worden und einer Plane darauf schützte vor Nässe. Eines Nachts gab es einen starken Sturm mit viel Regen und durch das Klatschen der Plane auf die Lehm-Schwitzhütte schlief ich unruhig, aber trotzdem trocken und windgeschützt.
Am Morgen nun wollte ich mich aufrichten und ich wunderte mich, dass ich im Sitzen auf einmal doch mit meinem Kopf an die Decke stieß. Erst jetzt wurde mir das leichte Knacken von Holz der letzten Stunden bewusst, welches auf einmal lauter und intensiver wurde. Ich kapierte auf einmal, was los war und während ich schnellstens versuchte, die Hütte auf allen vieren zu verlassen, brach die gesamte schwere feuchtgewordene Lehmdecke über mir zusammen und drückte mich zu Boden. Zum Glück schaute mein Kopf schon aus der Öffnung heraus. Ich hatte nur meinen Slip an und unter Schmerzen wand ich mich aus dem Lehmschlamm, wobei die gebrochenen Weidenäste meinen Rücken zerkratzten. Nun stand ich neben der zusammengebrochenen Schwitzhütte, die alles unter sich begraben hatte, was ich besaß: Schlafsack, Rucksack und Gitarre. Im leichten Nieselregen lief ich vor zum Gehöft, wo die Gemeinschaft wohnte und bat um Schaufel und Spaten, um meine Sachen zu befreien.
Es war für mich zwar ein Katastrophe und doch wurde mir nachträglich klar, was für ein Riesenglück ich hatte: Was wäre mit mir passiert, wenn die Hütte schon in der Nacht über mir zusammengebrochen wäre, im bis zum Hals zugezogenen Schlafsack? Hätte ich überhaupt eine Chance gehabt, da rauszukommen und hätte ich womöglich unter der dicken, schweren und feuchten Lehmschicht ersticken können? Sie brach genau zu dem Zeitpunkt zusammen, als ich mich aufrichtete. Bei diesen Gedanken über Schicksal, Zufall und Vorsehung kam mir ein lustiges Bild in den Sinn, dass vielleicht ein Engel die halbe Nacht die Decke der Schwitzhütte mühsam nach oben zog, damit sie nicht zusammenbrach und erst, als er merkte, dass ich aufgestanden bin, losließ. Ich bin froh, dass wir uns behütet und beschützt fühlen können.

Geldregen auf dem Wuppertaler Marktplatz

In Wuppertal wurde ich auf meiner zweiten Pilgertour 96 während meines Einsatzes von zwei bis drei sehr gesprächigen Männern belagert, die sich jedoch allmählich von mir abkoppelten und selbst unter sich aufgeregt über Gott und die Welt debattierten. Irgendwann merkten sie dies und wandten sich wieder mir zu. Um wieder einen Einstieg zu finden, provozierte mich einer der aufgebrachten Herren, indem er auf den kleinen Berg Kleingeld auf meinem Rucksack zeigte, denn trotz meines Schildes, dass ich nicht für Geld spiele, legten die Leute etwas hin und verbieten wollte ich es ihnen auch nicht. Und er sagte: "Hier, guckt euch den an: Er ist doch auch nur ein Heuchler und Betrüger. Stellt so ein Schild hin, aber verdient trotzdem fleißig Geld!"
Diese Unterstellung ärgerte mich und ich überlegte, was ich dem Mann entgegnen soll. Ich versuchte ihm zu erklären, dass ich das Geld zwar als Geschenk ansehe, aber nicht als Bezahlung und ich nicht wegen des Geldes hier sitze. Der Mann tat das alles als faule Ausreden ab. Mich ärgerte dies noch mehr, doch hatte ich auf einmal eine Idee: Ich griff in den Haufen Hartgeld und warf das ganze Kleingeld im Sitzen und im hohen Bogen über den Marktplatz mit dem Satz: "So hier! Damit sie sehen, dass ich nicht wegen dem scheiß Geld hier sitze!" Der Mann wurde auf einmal ruhig und staunte. Hinten sah ich vorbeilaufende Passanten sich nach den rollenden 1- und 2-Mark-Stücken bücken. Ein bißchen tat es ja weh, das war mein Auskommen für das Abendbrot und Frühstück. Aber es musste sein, der Mann provozierte mich. Er sagte aber nichts mehr. Leider gab es da wiederum ein anderes Problem, welches durch diese Aktion entstand: Es stand bei uns noch eine Familie mit einem kleinen Jungen, der auch eine Mark auf den Haufen gelegt hatte und die Eltern schauten entrüstet. Ich war sofort bereit, Ihnen alles zu erklären, dass ich provoziert worden bin und es mir sehr leid tut. Irgendwann verstanden sie mich und verziehen mir.

Interessante Gefährten der zweiten Tour

Es kamen immer mal Interessierte für ein bis zwei Wochen mit mir, aber auf der zweiten Tour waren es teilweise besonders originelle Leute.

In Köln auf der Domplatte kam Edwin auf mich zu und er erzählte, dass er einige Jahre im Knast war und sich dort mit der Bibel zum Glauben bekehrt hatte. Warum er im Knast war, fragte ich ihn. Er zeigte auf ein Eckhaus an der Domplatte, wo mal eine Geldbank war, die er aus Geldnot und Existenzängsten mit einer Revolverattrappe und Strumpfmaske über dem Kopf versucht hatte zu überfallen. Er war viel zu unerfahren, erzählte er und die Polizei überwältigte ihn, als er aus der Bank fliehen wollte. Ob das nun alles stimmte, weiß ich nicht, aber da er dann wirklich nach ein paar Wochen dazu stieß und mit mir mitkam, schätzte ich ihn nicht als Scharlatan ein. Leider wurden aus zwei Wochen nur eine, da es ständig regnete und Edwin das Pilgerleben von seiner depressivsten Seite kennenlernte.

Ab Köln kamen zwei Obdachlose mit, die sich als schwules Pärchen outeten. Die beiden waren lustig und hielten wirklich wie Pech und Schwefel zusammen. Sie waren die Tage auf der Domplatte immer bei mir und wir lachten viel. Irgendwann beschlossen sie, mit mir am Rhein Richtung Süden mitzukommen. Also gings zu dritt los. Es dauerte nicht lange, da brauchten die beiden die erste Kaffepause. Sie hatten einen Spirituskocher mit und brauten sich ihren türkischen Kaffee. Die erste Pause machte ich noch mit, aber bei der zweiten lief ich schon mal vor und wir vereinbarten, uns in Neuwied wiederzutreffen. Sie trafen einen Tag später ein. Das wiederholte sich nochmal in Koblenz, wo es schon zwei Tage Verzug waren, bis wir uns verloren haben.

In Baden-Würtenberg war Martin zwei Wochen bei mir, ein cooler junger Abiturient, der nicht viele Sachen bei sich hatte und sogar spartanischer war, wie ich. Das gefiel mir. Er hatte auch seine Gitarre bei sich und wir gaben manche Musikstücke auf der FZ auch gemeinsam zum Besten. In Heidelberg, während ich sang und Martin sich mit jemanden unterhielt, rief Martin auf einmal zu mir herüber: "Thomas, wir sind zu dritt!" Ich sagte nur okay und wir waren ab diesen Tag drei Musikanten, denn Cachel hatte eine Geige bei sich, kam aus Irland und wollte auf den Pfaden seines alten deutschen Opas wandeln und Deutschland kennenlernen. Wie die Olsenbande (die Ossis kennen sie) liefen wir durch Heidelberg. Als wir dann auch noch einen halben 10-Liter-Kartoffelsalateimer bei uns hatten, den wir auf der Neckarwiese von einer Grillgruppe geschenkt bekamen, aus dem wir löffelten, war das Bild komplett. Es gab dann noch ein bis zwei Tage Dauerregen in Heidelberg und dies veranlasste mich, einmal in meiner ganzen Pilgerzeit ein Obdachlosenheim von innen kennenzulernen. Da wir zu dritt waren, hoffte ich, dass wir ein 4-Bett-Zimmer bekommen, so dass wir unter uns waren und in der Nacht nicht beklaut wurden. Die Frau am Schalter vom Obdachlosenheim wollte die Daten von uns Dreien und gab als Bedingung für die Übernachtung, dass wir alle drei arbeits- und obdachlos sein mussten. Sie durfte nicht erfahren, dass Martin ein erfolgreicher Abiturient und Cachel ein promovierter junger Proffessor in Irland war. Wir bekamen die Erlaubnis und Abends rückten wir alle drei im Obdachlosenheim an und bekamen unser kostenloses Vierbettzimmer. Auch zu dritt mit Cachels Geige spielten wir uns besonders bei den englichen Hits wie "Country Roads" und "Let it be" schnell auf der FZ ein.


Heute hier, morgen dort

( 1972 - Hannes Wader )
Heute hier, morgen dort, bin kaum da, muß ich fort,
hab mich niemals deswegen beklagt.
Hab es selbst so gewählt, nie die Jahre gezählt,
nie nach gestern und morgen gefragt.

Manchmal träume ich schwer, und dann denk ich, es wär
Zeit zu bleiben und nun was ganz andres zu tun.
So vergeht Jahr um Jahr, und es ist mir längst klar,
dass nichts bleibt, dass nichts bleibt, wie es war.


Daß man mich kaum vermißt, schon nach Tagen vergißt,
wenn ich längst wieder anderswo bin,
stört und kümmert mich nicht, vielleicht bleibt mein Gesicht
doch dem ein' oder and'ren im Sinn.

Fragt mich einer, warum ich so bin, bleib' ich stumm,
denn die Antwort darauf fällt mir schwer.
Denn was neu ist wird alt, und was gestern noch galt
stimmt schon heut' oder morgen nicht mehr.

Manchmal träume ich schwer,...

Die Polizei - mein Freund und Helfer

Von der Polizei wurde ich bei Fahndungen hin und wieder kontrolliert und nach den Papieren gefragt. Zu meinen alten Pilgerzeiten lebte ich noch etwas konsequenter und hatte keine staatlichen Verbindungen und daher keinen Ausweis mehr. Dies erklärte ich auch immer freundlich der Polizei und war trotzdem bereit, ihnen alles mitzuteilen, was sie wissen wollten. Meist ließ mich die Polizei wieder weiterziehen, nachdem sie sich über Funk meine Daten bestätigen ließen. Nur einmal, bei Stuttgart auf der dritten Tour, wusste ich, dass mir eine feuchte und stürmische Nacht bevorsteht und noch keine trockene kostenlose Herberge in Aussicht stand. Nun, ich fragte den Polizeiwachmann, ob sie diesmal nicht eine Ausnahme machen könnten und mich wirklich in Untersuchungshaft nehmen, damit ich eine trockene Zelle habe. Der Polizist lachte nur und sagte, dass sie keine Pension sind. Naja schade!
Aber auf meinen Touren habe ich die Polizisten meist als recht coole lockere Leute kennengelernt. In Merseburg hielt z.B. während meines Einsatzes mit Gitarre mitten vor mir ein Streifenwagen und der Fahrer stieg aus, baute sich vor mir mit cooler Sonnenbrille breitbeinig und die Hände in den Hüften auf und hörte mir zu, während ich mich nicht einschüchtern ließ und weiterspielte und sang. Einige Passanten blieben stehen, weil sie annahmen, dass gleich was passiert. Als ich mein Lied beendete, stellte der Wachmann ein Fuß neben mir auf die Bank, deute auf meine Gitarre, dass er sie haben will und legte auf einmal einen lockeren Blues auf der Gitarre hin. Es blieben immer mehr Leute stehen. Irgendwann kam sein Kollege aus dem gegenüberliegenden Laden und stieg in den Streifenwagen, so dass auch er unterbrach, mir die Gitarre mit einem coolen Schmunzeln und Kaugummiblick zurückgab und wieder einstieg. Die Leute lachten und klatschten und der Streifenwagen bahnte sich vorsichtig den Weg durch die Menge.

Als Friedenspilger im Schützengraben

Ich suche sehr gern Orte auf, die mir noch aus meiner Kindheit und Jugendzeit in Erinnerung sind und als ich mich einmal Berlin näherte, ließ ich es mir nicht nehmen, nachzuschauen, was aus meiner alten Kaserne aus der alten DDR-Armeezeit bei den Grenztruppen geworden ist. Ich hoffte, daß es wie so oft ein verlassenes Militärgelände tief im Wald geworden ist und ich in den Ruinen zwischen Schmutz und Staub mein Nachtlager ausbreiten und beim Liegen in Erinnerungen schwelgen konnte. Leider fand ich eine Reha-Klinik vor, die mich natürlich nicht hineinließ. Ich zog wieder ab, erinnerte mich aber hinter der nächsten Weggabelung, dass es in der Nähe noch den alten Übungsplatz gab, den ich auch wiederfand. Selbst der provisorische Schützengraben mit Unterstand war noch begehbar, so dass ich eine sehr eindrucksvolle Nacht erlebte, besonders, als ich morgens aufwachte und ein Rotkelchen auf einem Zweig schimpfte, wahscheinlich, weil es irgendwo in der Nähe meines Schlafplatzes sein Nest hatte. Ich sagte zu mir und dem Rotkelchen: "Schau mal an! Vor 10 Jahren bin ich in diesem Graben noch oberflächlich mit einem Maschinengewehr an der Brust herumgerannt und jetzt liege ich hier als Friedenspilger im Sand. Wie die Zeit doch ein Menschenleben ändern kann!"

Ungewöhnliche Schlaforte

Wo habe ich sonst schon überall genächtigt? Bestimmt nicht am Bahnhof, denn da ist es am gefährlichsten. Lieber im Wald, da ist es am ungefährlichsten. Selbst Wölfe suchen das Weite, wenn sie dich hören oder wittern. Um aber zu vermeiden, mal eine Sau mit Frischlingen zu überraschen, singe ich dann auch im Wald manchmal ein Liedchen (mein Wildschweinlied "Shalom Sheverim"). Dann hören dich die Tiere schon von weitem und hauen ab. Wo hab ich sonst überall geschlafen? Auf einer Sprungschanze, in einer Discothek (natürlich in der Woche, der Wirt sagte, ich kann mich hinlegen, wo ich will), auf diversen Bänken bei trockenen Nächten und in Schutzhütten. Natürlich wurde ich auch oft eingeladen von armen Hartz4-Empfängern bis zu wohlhabenden Anwälten.
Einmal wurde ich von zwei gut aussehenden jungen Männern in eine Discothek eingeladen. Hab erst auf der Tanzfläche gemerkt, dass es eine Schwulenparty war, weil mich so viele Männer wollüstig angeschaut hatten. Bin dann doch bald wieder zu meinem Rucksack gegangen, den ich auf einem Friedhof hinter einem großen Grabstein versteckt hatte.
In meiner fünfjährigen Pilgerzeit der 90er Jahre hatte ich auch mal für zehn Wochen in Hamburg eine eigene Wohnung: Heide, eine Frau die immer größere Probleme mit ihren Hüftgelenken hatte, musste sich einer schweren OP mit einer anschließenden zehnwöchigen REHA unterziehen. Sie beherbergte mich während des Kirchentags in Hamburg 95 und als ich weiterzog, sagte ich ihr, dass sie sich gern melden kann, wenn sie mal Probleme hat. Und dann kam ein Jahr später Post von ihr, ob ich zehn Wochen lang auf ihren Hund Gipsy und ihre Wohnung aufpassen kann und sie jeden zweiten Tag im Krankenhaus besuche. Das war mal ein richtig bürgerliches Leben zwischendurch! In ihrer Verwandt- und Bekanntschaft gab es Aufregung, weil sie so einfach einen "Penner von der Straße" (kostenlos) einstellte. Wir haben beide darüber oft gelacht und uns amüsiert.
Im Ruhrgebiet hatte ich an einem Badesee den schönsten Morgen: Ich erinnere mich, wie ich direkt am Strand schlief und die Morgensonne genau über dem See aufging. Kein Mensch weit und breit, nur auf dem Radweg fuhren manchmal welche zur Arbeit. Und ich brauchte nur mein Schlafsack öffnen, aufstehen und direkt im glitzernden Wasser ein Morgenbad nehmen. Man braucht nicht in die Karibik, um so etwas zu erleben.

Die letzte Pilgergeschichte

Diese Pilgergeschichte ist noch nicht geschehen und ich hoffe, sie wird es auch nicht. Denn wenn sie geschieht, ist es vorbei mit dem Pilgern. Rechnen muss ich aber immer damit, dass ich zum Beispiel mal als Obdachloser gesehen und von Rechtsextremisten zusammengeschlagen werde, oder ich verunfalle und weit und breit kommt keine Hilfe. Krankheiten und Unfälle können mich genauso wie jeden anderen Menschen überraschen. Aber bei diesem schönen und vollen Leben werde ich es bestimmt mit einem dankbaren Lächeln über mich ergehen lassen. Was uns am meisten vom gelebten Leben abhält, ist unsere Angst, dass mal was schlimmes passieren kann.

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© Pilger Thomas
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